Volksstimme Haldensleber Rundschau Freitag, 11. März 2022 Seite 17
Wie der Krieg den Krieg ernährt Historiker berichtet über das Kloster Ammensleben als Spielball der Mächte im 17. Jahrhundert
In der neuen Volksstimme- Serie „Wie der Krieg den Krieg ernährt“ erzählt der Historiker Wilfried Lübeck über den Dreißigjährigen Krieg in den Jahren von 1618 bis 1648 und die Auswirkungen auf die Region zwischen Elbe und Ohre. Dabei rückt der Groß Ammensleber Historiker das einstige Benediktinerkloster „Sankt Peter und Paul“ in den Mittelpunkt seiner Ausführungen.
Von Sebastian Pötsch Groß Ammensleben – Seinerzeit habe nämlich Caspar Ulenberg die Kriegswirren schriftlich festgehalten. Er leitete das Konvent in Groß Ammensleben in den Jahren von 1608 bis 1636. Auf 23 Seiten habe der Abt über die Auswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Katholischer Liga und Protestantischer Union berichtet. „Darunter waren sehr persönliche Erlebnisse und brisante politische Informationen“, berichtet Historiker Wilfried Lübeck.
„Es wurde bei nächtlicher Zeit geplündert. Sie nahmen alle 24 Pferde mit und alles, was ihnen diente. In den Kellern durchwühlten sie alle Kisten und Schappen.“ Abt Ulenburg über die erste Plünderung seines Klosters im Dreißigjährigen Krieg
Bereits 20 Jahre vor Kriegsausbruch habe das Kloster seine Blütezeit erreicht. So habe es beispielsweise im Jahr 1590 in der Dreiengelstraße Magdeburg, der heutigen Leiterstraße, eine große Herberge errichtet. Speisen und Bier kamen direkt aus der Klosterproduktion. Im Jahr 1600 hat das Kloster den noch heute existierenden Pferdestall und elf Jahre später den Kirchturm bauen lassen „Letzterer kostete übrigens 1556 Taler“, merkt Lübeck hierzu an. Sogar für den evangelischen Priester habe das Kloster für 215 Taler ein Haus mit Garten erworben. „Welche Eintracht“, sagt der Historiker. Im das Jahr 1610 sei zudem eine weitere Herberge in Magdeburg eröffnet worden. „Das alles in einer Region, die überwiegend protestantisch war“, erklärt der Geschichtsforscher weiter. Doch schon bald seien die goldenen Zeiten des Ammensleber Kloster zu ende gewesen, nämlich mit Beginn des Glaubenskrieges, der Mitteleuropa für die kommenden 30 Jahre erschüttern sollte. Im Zentrum des Krieges standen sich die kaiserliche Katholische Liga und die Protestantische Union mit deutschen Fürsten und dem schwedischen Königshaus gegenüber. Nach dem Prager Fenstersturz in Böhmen im Jahr 1618 kamen erst im Jahr 1626 kaiserliche Truppen über die Pfalz und das Bistum Halberstadt in die Umgebung von Magdeburg, „ein Zentrum des Protestantismus“, betont Lübeck erneut. Die Landsknechte besetzten unter anderem Wolmirstedt und Rogätz. „In dieser Zeit erreichte Abt Ulenberg ein Schreiben aus dem von katholischen Truppen besetzten Wolmirstedt, dass sein ebenfalls katholisches Koster nun wöchentlich 100 Gulden zu zahlen habe, so genannte Kontribution“, berichtet Wilfried Lübeck. Beim Goldgulden handelte es sich um eine europäische Münze, die wohl sehr selten war. Die Zahlung sei für neun Wochen vorgesehen gewesen, sonst drohte Plünderung. „Wir würden heute Besatzungskosten dazu sagen, und das unter Glaubensbrüdern!“ Dann habe der Abt geschildert, wie er auf dem Weg nach Magdeburg von fünf Reitern überfallen und ausgeraubt wurde. „Er erwähnte auch die Besetzung von Rogätz und Wolmirstedt am 26. März des Jahres 1626“, berichtet der Historiker und fügt hinzu: „Rogätz markierte seit Beginn der Grausamkeiten in unserer Region. Da der Ort an der Elbe liegt, hatte er eine militärische und ökonomische Bedeutung.“ Kaiserliche Soldaten, die das Schloss besetzt hatten, hätten Soldaten des Gegners blutig niedergemetzelt. „Einige wurden von der Höhe des Schlosses herabgeworfen. Andere schlug man mit Äxten tot. Einige wurden Riemen aus den Rücken der Bauch geschnitten und wieder andere an kleinen Feuern gebraten“, zitiert Wilfried Lübeck. Ferner habe Ulenberg folgendes über die erste Plünderung des Klosters Ammensleben notiert: „Es wurde bei nächtlicher Zeit geplündert. Sie nahmen alle 24 Pferde mit und alles, was ihnen diente. In den Kellern durchwühlten sie alle Kisten und Schappen (Truhen, Anmerkung der Redaktion). Sie schlugen alles entzwei und entzündeten es. Inn gleicher Weise auch in Althaldensleben, aber mit noch größerem Schaden und Verderb.“
„Das Kloster war arm geworden, Abt Torwesten nahm gelegentlich die Aufgaben eines Feldkaplans war.“ Historiker Wilfried Lübeck
Das Grauen des Krieges hätten an Ausmaß noch zugenommen, als der alte bayrische General Tilly, Oberkommandeur der Kaiserlichen, am 20. Mai 1631 Magdeburg zerstörte. Nach dem Unglück von Magdeburg setzte sich über viele Jahre hinweg der Begriff „magdeburgisieren“, stellvertretend für totale Vernichtung, innerhalb der deutschen Sprache durch. Von etwa 30.000 Einwohnern sollen nur 5000 überlebt haben, andere Quellen berichten sogar von nur 450 Überlebenden. 20 Personen hätten im Kloster Ammensleben Zuflucht gefunden. Die Kriegsheere und ihre Verbündeten nahmen Quarttier in den umliegenden Dörfern Magdeburgs, so auch in Ammensleben und dem dortigen Kloster. „Es waren 4000 Reiter und 100 Mann Fußvolk, dazu Weiber und Kinder“, zitiert Wilfried Lübeck aus Abt Ulenburgs Niederschrift. Im Jahr 1632 sei dieser von der Regierungsvertretung der schwedisch- protestantischen Truppen Königs Gustav Adolf II. abgesetzt worden. Als sein Nachfolger wurde Johannes Torwesten bestimmt. „Das Kloster war arm geworden, Abt Torwesten nahm gelegentlich die Aufgaben eines Feldkaplans war“, berichtet selbst der Historiker, der selbst aus Groß Ammensleben stammt. Die letzten sechs Mönche seien im Jahr 1637 nach Wolfenbüttel geflohen. Wie es dem Kloster „Sankt Peter und Paul im Dreißigjährigen Krieg weitergeht, erfahren sie im zweiten und dritten Teil der Volksstimme- Serie „Wie der Krieg den Krieg ernährte“.
Haldensleber Rundschau Volksstimme Seite 20 Sonnabend, 12, März 2022
„Nun ist erschollen das edle Friedenswort“ Historiker berichtet über das Kloster Ammensleben als Spielball der Mächte im 17. Jahrhundert
In der neuen Volksstimme- Serie „Wie der Krieg den Krieg ernährt“ erzählt der Historiker Wilfried Lübeck über den Dreißigjährigen Krieg in den Jahren von 1618 bis 1648 und die Auswirkungen auf die Region zwischen Elbe und Ohre. Dabei rückt der Groß Ammensleber Historiker das einstige Benediktinerkloster „Sankt Peter und Paul“ in den Mittelpunkt seiner Ausführungen.
Von Sebastian Pötsch Groß Ammensleben – Im ersten Teil berichtete Wilfried Lübeck über die schriftlichen Überlieferungen Caspar Ulenbergs, der von 1608 bis 1636 als Abt das Kloster Ammensleben leitete. Auf 23 Seiten berichtete Ulenberg über die Auswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Katholischer Liga und Protestantischer Union, so auch über Plünderungen des Klosters durch kaiserliche Truppen.
„Freunde und Feinde haben es um die Wette ausgezogen und verwüstet. Die Freunde sogar noch schlimmer als die Feinde.“ Historiker Otto Laeger, 1932
Zuvor ein reiches Kloster waren durch den Dreißigjährigen Krieg die goldenen Zeiten des Benediktinerkonvents bald vorbei. Nach dem Prager Fenstersturz in Böhmen im Jahr 1618 kamen erst im Jahr 1626 kaiserliche Truppen über die Pfalz und das Bistum Halberstadt in die Umgebung von Magdeburg, einem Zentrum des Protestantismus. In dieser Zeit erreichte Abt Ulenberg ein Schreiben aus dem von katholischen Truppen besetzten Wolmirstedt, dass sein ebenfalls katholisches Kloster nun wöchentlich 100 Gulden zu zahlen habe, sonst drohte Plünderung. Außerdem schilderte Lübeck, wie Abt Ulenberg laut eigener Aufzeichnungen auf den Weg nach Magdeburg von fünf Reitern überfallen und ausgeraubt wurde und erwähnt die Besetzung von Rogätz und Wolmirstedt im März des Jahres 1626. „Rogätz markierte den Beginn der Grausamkeit in unserer Region“, merkte Lübeck an und zitierte: „Einige wurden von der Höhe des Schlosses herabgeworfen. Andere schlug man mit Äxten tot. Einige wurden Riemen aus den Rücken der Bauch geschnitten und wieder andere an kleinen Feuern gebraten“. Die Grauen des Krieges hätten an Ausmaß noch zugenommen, als General Tilly, Oberkommandeur der Kaiserlichen, am 20. Mai 1631 Magdeburg zerstörte. Von etwa 30.000 Einwohnern sollen nur 5000 überlebt haben, andere Quellen berichten sogar von nur 450 Überlebenden. 20 Personen hätten im Kloster Ammensleben Zuflucht gefunden. Die Kriegsheere und ihre Verbündeten nahmen Quarttier in den umliegenden Dörfern Magdeburgs, so auch in Ammensleben und dem dortigen Kloster. Außerdem berichtet Lübeck von der Absetzung Ulenberg als Abt im Jahr 1632 durch die Regierungsvertretung der schwedisch- protestantischen Truppen Königs Gustav Adolf II. Zu seinem sein Nachfolger wurde Johannes Torwesten bestimmt. Die letzten sechs Mönche seien im Jahr 1637 nach Wolfenbüttel geflohen. „Ab dem Jahr 1632 waren alle Klostergebäude, außer dem Pferdestall und der Kirche zerstört, fährt Wilfried Lübeck mit seinen Ausführungen fort. Auch das Vorwerk „Rotes Haus“ sei nur noch eine Ruine gewesen. „Freunde und Feinde haben es um die Wette ausgezogen und verwüstet. Die Freunde sogar noch schlimmer als die Feinde“, zitierte der Groß Ammensleber aus einem Text des Historikers Otto Laegers aus dem Jahr 1932. So hätten die kaiserlichen Soldaten dem Kloster innerhalb von vier Jahren Schäden in Höhe von 18295 Talern zugefügt, die Schweden in drei Jahren nur in Höhe von 1071 Talern. „In den Jahren 1636/37 hausten im Kloster sächsische und kaiserliche Soldaten. Sie verbrauchten die letzten Vorräte und ließen beim Abtransport Hunger und Pest zurück“, liest Lübeck weiter vor. Im Jahr 1638 sei die kaiserliche Armee abermals über die Bördedörfer gezogen und habe der hungernden Bevölkerung die letzten Reserven genommen. Weiter heißt es: „1639 waren es wieder die Schweden mit viel Gesindel.“ Den letzten Besuch hätten dem Kloster Truppen des Erzherzogs Leopold Wilhelm abgestattet. „Er war der Sohn des katholischen Kaisers Ferdinand II. und für zwei Jahre auch Erzbischof von Magdeburg, weil er die Schweden aus der Elbestadt vertrieb“, merkt der Geschichtsforscher an und fügt hinzu: „In Ammensleben war aber nichts mehr zu holen.“ Laut Abt Johannes Torwesten soll die Hungersnot so groß gewesen sein, „dass die Menschen sich gegenseitig auffraßen und auf den Feldern lagen die toten Mitbewohner.“ Weitere Plünderungen und totale Zerstörungen seien auch 1642 und 1644 auf der Tagesordnung gewesen. Das Dorf habe nur noch aus Ruinen bestanden. So habe Groß Ammensleben vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 350 Einwohner gezählt, im Jahr 1650 sollen es nur noch 220 gewesen sein. Als im Jahr 1644 in Münster und in Osnabrück die Kriegsverhandlungen begannen, schrieb der evangelische Liederdichter Paul Gerhard: „Gottlob, nun ist erschollen das edle Friedenswort“. „Für unsere Regionalgeschichte ist bemerkenswert, dass Torwesten, Abt des Ammensleber Klosters, selbst in Münster war. Hier wurde ja der Westfälische Frieden ausgehandelt“, erzählt Wilfried Lübeck Spätestens hier muss der Klostervorsteher übrigens auf Magdeburgs Bürgermeister Otto von Guericke gestoßen sein, der ebenfalls an den Verhandlungen teilnahm. „Möglich ist aber auch, dass die Beiden sich schon kannten. Denn Guericke war mit der Tochter des Gutensweger Patriziers von Alemann verheiratet, merkt Lübeck hierzu an.
„Auch das Läuten der Klosterglocken wurde wieder eine Selbstverständlichkeit.“ Historiker Wilfried Lübeck
Während der Verhandlungen zum Westfälischen Friedensvertrag soll Abt Torwesten für sein Kloster Zugeständnisse erwirkt haben. Nun durften zwar wieder katholischer Gottesdienst abgehalten werden, jedoch nur bei geöffneten Kirchentüren. Außerdem wurde die Nutzung der Kanzel in der Klosterkirche wieder gestattet sowie die Seelsorge für katholische Bürger durch die Klostermönche. „Auch das Läuten der Glocken wurde wieder eine Selbstverständlichkeit“, erklärt der Historiker. Erst unter Placidus Meinders, der das Amt des Abtes von 1670 bis 1704 ausübte, sei der Wiederaufbau des Klosters gelungen. Lübeck: „Placidus ist in die Analen der Klostergeschichte als ,die Zierde des 17. und 18. Jahrhunderts’ eingegangen da er 1682 auch eine katholische Schule bauen ließ.“ So erlebte das Kloster „Sankt Peter und Paul“ in Groß Ammensleben in den Folgejahren einen erneuten Aufschwung. Doch waren die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges noch Jahrhunderte spürbar. Davon berichtet Wilfried Lübeck im dritten Teil der Volksstimme- Serie „Wie der Krieg den Krieg ernährte“.
Bildaufnahmen stammen von 4.6.2016 als ich zu den Feierlichkeiten 1050 Jahre Haldensleben für 2 Tage in Alt- Haldensleben weilte. Bildaufnahmen zeigen das Klosteraußengelände innerhalb. Teddy Bild entfernt (keine Rechte)
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Magado-2 Wenn nicht anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Magado Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
[quote=Teddy|p57264]Volksstimme Haldensleber Rundschau Freitag, 11. März 2022 Seite 17
"Bereits 20 Jahre vor Kriegsausbruch habe das Kloster seine Blütezeit erreicht. So habe es beispielsweise im Jahr 1590 in der Dreiengelstraße Magdeburg, der heutigen Leiterstraße, eine große Herberge errichtet."
Ist echt interessant, was sich damals auch im Magdeburger Umland so abspielte. Allerdings befand sich die Dreiengelstraße in Magdeburg nach meinem Kenntnisstand am Breiten Weg, linksseitig, etwas vor der Katharien-Kirche auf der rechten Seite.
Linse
Wenn nicht explizit anders ausgewiesen, dann Sammlung/Eigentum Linse Bilder/Beiträge dürfen "Nichtgewerblich" genutzt werden.
Volksstimme Haldensleber Rundschau Dienstag, 15. März 2022 Seite 19
Flachs und Leinen für den Krieg Historiker berichtet über das Kloster Ammensleben als Spielball der Mächte im 17. Jahrhundert
In der neuen Volksstimme- Serie „Wie der Krieg den Krieg ernährt“ erzählt der Historiker Wilfried Lübeck über den Dreißigjährigen Krieg in den Jahren von 1618 bis 1648 und die Auswirkungen auf die Region zwischen Elbe und Ohre. Dabei rückt der Groß Ammensleber Historiker das einstige Benediktinerkloster „Sankt Peter und Paul“ in den Mittelpunkt.
Von Sebastian Pötsch Groß Ammensleben – So berichtete Wilfried Lübeck in den ersten beiden Teilen der Serie über die Plünderung des Benediktinerkloster „Sankt Peter und Paul“ in Groß Ammensleben. So wurde das katholische Konvent von Freund und Feind ausgeraubt, also von den katholischen Kaiserlichen als auch von der protestantischen schwedischen Armee. Sowohl Kloster als auch das Dorf habe in den 1640er Jahren nur noch aus Ruinen bestanden. Vom dem einstigen Reichtum der Abtei sei nichts mehr übrig geblieben.
„Die Faser des Flachses war zwar nicht geschmeidig, aber als derber Stoff für Volk und Militär geeignet.“ Historiker Wilfried Lübeck
Während der Verhandlungen zum Westfälischen Friedensvertrag ab dem Jahr 1644 soll Abt Johannes Torwesten für sein Kloster in Groß Ammensleben Zugeständnisse erwirkt haben. Nun durften zwar wieder katholische Gottesdienste abgehalten werden, jedoch nur bei geöffneten Kirchentüren. Außerdem wurde die Nutzung der Kanzel in der Klosterkirche wieder gestattet sowie die Seelsorge für katholische Bürger durch die Klostermönche. Erst unter Placidus Meinders, von 1670 bis 1704 sei der Wiederaufbau des Klosters gelungen. So erlebte das Kloster „Sankt Peter und Paul“ in Groß Ammensleben in den Folgejahren einen erneuten Aufschwung. Doch waren die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges noch Jahrhunderte spürbar. Mitte des 18. Jahrhundert sollte sich dem Kloster ein weiteres Geschäftsfeld erschließen. „Dank des guten Bodens wurde die Börde neben der Lebensmittelversorgung auch zum Lieferanten derben Tuches und somit zum Ausrüster von Militäruniformen“, fährt Wilfried Lübeck mit seinen Ausführungen fort. Möglich wurde dies durch den Anbau von Flachs. „Aber der Reihe nach“, sagt der Historiker und beginnt zu berichten. Durch den Dreißigjährigen Krieg war das Kurfürstentum Brandenburg, das seit 1701 Königreich Preußen hieß, sehr stark zerstört. „Es fehlte an Menschen, Lebensmitteln und Manufakturen aller Art. Dörfer und Städte waren wüst, die Felder verödet. Während Magdeburg um das Jahr 1620 noch rund 30.000 Einwohner zählte, waren es nach Ende des Kriegs nur noch rund 5000“, führt der Historiker aus. Im Gebiet des ehemaligen Kreises Wolmirstedt seien acht Dörfer verwüstet und wegen der Pest aufgegeben worden. Kurfürsten und Könige verhängten Verbote sowie hohe Zollgebühren, um ausländische Produkte nicht ins Land zu lassen. „Besonders unter König Friedrich Wilhelm I. wurde auf aufwendig Hofhaltung verzichtet. Sparsamkeit im Staatsapparat und unter der Bevölkerung hielten Einzug“, erklärt der Historiker weiter und fügt an: „Diese Tugenden vernachlässigte er allerdings beim Aufbau des Heeres. Als er nämlich seine Regierungszeit im Jahr 1713 antrat, zählte die Armee rund 40000 Soldaten. Im Sterbejahr des Königs waren es bereits 81.000.“ Zur Herstellung von Uniformen und anderen militärischen Textilien seien zunächst Wollstoffe verwendet worden, die aber nie ausreichten. Die Ausstattung des Heeres wurde zum Staatsproblem, da neben Spinnern auch Webermanufakturen fehlten. Bereits im Jahr 1713 gründete der König nur wenige Monate nach seiner Thronbesteigung ein Wollhaus in Berlin, „und zwar als Muster für ganz Preußen“. Hier arbeiteten Spinner, Weber und Aufkäufer für Schafswolle. Die Ausfuhr von Wolle wurde ab 1718 verboten, ab dem Jahr 1723 sogar bei Todesstrafe. Bereits im Jahr 1733 sollen in den Wollhäusern 5000 Menschen tätig gewesen sein, „unter anderem Halb- und Vollwaisen“. Zwei Lehrer hätten sich um die Kinder gekümmert, deren Arbeitszeit von 5 bis 16 Uhr dauerte - bei einer Stunde Mittagspause. Der Sonnabend war dem Schulunterricht vorbehalten. Am 14. Juni des Jahres 1723 erließ der preußische Soldatenkönig ein Edikt, „dass alle Höcker- Weiber (einfache Händlerinnen mit Holzbutten oder Flechtkörben, Anmerkung der Redaktion) und herrenloses Gesinde wöchentlich ein Pfund Wolle“ zu spinnen haben. Auch „die in öffentlichen Buden aufm Markt oder Gassen Feilhabende Handwerks- Frauen und Bürgers- Töchter“ sollten „mit Wolle- oder Flachs- Sinnen, Knütten oder Nähen zubringen und nicht müßig sitzen“, hieß es in dem Erlass weiter. „Durch die Einwanderung von Glaubensflüchtlingen aus vielen deutschen Landen wurde besonders sein Sohn, Friedrich II., mit dem Problem konfrontiert“, erzählt der Geschichtsforscher weiter. Nach Experimenten mit Raps, dessen Stängel dem Aufbau der Brennessel ähnlich ist und nach Wässerung versponnen werden konnte, habe der neue König Forscher und Bauern nach England sowie ins Baltikum geschickt. Hier sind bereits Erfahrungen mit Flachs gemacht worden. So konnten Tuchproben mitgebracht werden“, berichtet Lübeck. „Die Fasern des Flachs zu Leinen versponnen war zwar nicht geschmeidig, aber als derber Stoff für Volk und Militär geeignet.“
„Der Abt konnte damit den rund 100 Beschäftigten des Klosters einen guten Nebenverdienst ermöglichen.“ Wilfried Lübeck
Im Jahr 1748 habe Friedrich II. an die Kriegs- und Domänenkammer Magdeburg eine Order erlassen. So sollte geprüft werden, welchen Boden und welche Dörfer an Flüssen und Bächen für den Flachsanbau in Frage kommen. Lübeck: „Die Landräte des 2. und 3. Distrikts des Holzkreises , wie der heutige Bördekreis damals genannt wurde, waren aufgrund der Naturbedingungen im Vorteil. Ihr bestes Argument: Wo viel Weizen wächst, wächst auch Flachs“. Zu den Anbaugebieten zählten Elbe, Bode, Saale, Aller, Beber, Sülze, Schrote und Ohre, die zur Bewässerung der Felder dienten. Auf eine Anfrage des Klosterabtes von Groß Ammensleben, Carolus Riekes, folgte ein positiver Bescheid der Kriegs- und Domänenkammer. „Der Abt konnte damit den rund 100 Beschäftigten des Klosters, das über etwa 800 Hektar Land verfügte, einen guten Nebenverdienst ermöglichen“, sagt der Historiker. So ist auf den Feldern des Klosters fortan Flachs für die Leinenproduktion angebaut worden, der wiederum zu Uniformen für die Armee weiterverarbeitet wurde. Die Bezeichnung Rötegraben für die Wasserrinne von Gutenswegen nach Groß Ammensleben erinnert an die rötliche Färbung, die durch das Wässern der Flachsstängel entstand. So war das Kloster infolge des Dreißigjährigen Krieges erneut abhängig von einer königlichen Macht und trug wiederum zur Ernährung des Krieges bei.
Informationen zur Volksstimme- Serie ----------------------------------------------- Teil 1: Unter dem Titel „Wie der Krieg den Krieg ernährt“ berichtet der Historiker in einer Volksstimme- Serie über die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, auf das einst reiche Kloster Groß Ammensleben. Dafür bediente er sich folgender Literatur: Otto Laeger: „Zur Geschichte des Klosters Ammensleben. In: Zeitschriften des Verein für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt. Jg.28 (1932), Ingrid Henze: „Grabinschriften der Abte von Groß Ammensleben“, Margitta Häusle „875 Jahre Rogätz“ (2019). (spt)
Informationen zur Volksstimme- Serie ----------------------------------------------- Teil 2: Unter dem Titel „Wie der Krieg den Krieg ernährt“ berichtet der Historiker in einer Volksstimme- Serie über die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, auf das einst reiche Kloster Groß Ammensleben- und die Region an der Bode, Elbe und Ohre. Der gleichnamige erste Teil erschien am Mittwoch, 2. März. Dafür bediente sich der Groß Ammensleben Geschichtsforscher folgender Literatur: Otto Laeger: „Zur Geschichte des Klosters Ammensleben. In: Zeitschriften des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt. Jg.28 (1932), Ingrid Henze: „Grabinschriften der Abte von Groß Ammensleben“, Margitta Häusler: „875 Jahre Rogätz“ (2019). Höhepunkt der Kriegsgreuel war die Zerstörung Magdeburgs am 20. Mai 1631durch katholische Truppen unter Oberkommandeur Tilly. Danach setzten sich über viele Jahre hinweg der Begriff „magdeburgisiren“, stellvertretend für totale Vernichtung, innerhalb der deutschen Sprache durch. Von etwa 30.000 Einwohnern sollen nur 5000 überlebt haben. (spt)
Informationen zur Volksstimme- Serie ----------------------------------------------- Teil 3: Unter dem Titel „Wie der Krieg den Krieg ernährt“ berichtet der Historiker Wilfried Lübeck in einer Volksstimme- Serie über die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, auf das einst reiche Kloster Groß Ammensleben. Der Gleichlautende erste Teil erschien am Mittwoch, 2. März, der zweite Teil „Nun ist erschollen das edle Friedenswort“ Sonnabend, 5. März. Dafür bediente sich der Groß Ammensleber Geschichtsforscher folgender Literatur: Otto Laeger: : „Zur Geschichte des Klosters Ammensleben. In: Zeitschriften des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt. Jg.28 (1932) Ingrid Henze: „Grabinschriften der Abte von Groß Ammensleben“, Margitta Häusler: „875 Jahre Rogätz“ (2019). (spt).
Anmerkung meinerseits. Die Datumsangabe der Ausgabe Volksstimme (Information zur Volksstimme- Serie) bezieht sich hier auf Volksstimme Wolmirstedt